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Botswana:

Der letzte Treck

Von Jürgen Duenbostel

Einst trieben in Nordamerika die Cowboys große Rinderherden über die Prärie zu den Schlachthöfen.
In Botswana, im südlichen Afrika, gibt es noch heute solche Trecks. Schwarze Cowboys bringen das Vieh über hunderte von Kilometern durch die Kalahari-Wüste.

cowboys

Nur noch schwach glimmen die Lagerfeuer. Die Nacht ist kühl und klar. Hier, mitten in der Kalahari, im Zentrum Botswanas, ehemals britisch Betschuanaland, leuchten die Milchstraße und das Kreuz des Südens besonders hell. Es ist absolut still.

Plötzlich aber scheut eines der Pferde und schon sind alle hellwach. Vielleicht schleicht der Leopard um das Lager herum. Die Buschmänner, die als Cowboys und Viehtreiber für den Treck arbeiten, hatten seine Spur am Abend zuvor gefunden. "Hay!", "hoo!", "ha!", mit lauten Rufen wollen sie die Raubkatze verschrecken, vor allem aber das Vieh beruhigen und davon abhalten, auszubrechen.

Gut 500 prächtige Ochsen und fast 300 Kühe vom Farmer John Kempf - im Wert von einer dreiviertel Million Mark - hat Treckführer Wynand Kotzé mit seinen Cowboys und Treibern sicher durch die Kalahari-Wüste bis nach Bray an der südafrikanischen Grenze zu bringen.

Zwar ist das Vieh über Nacht in zwei Krals untergebracht, jenen Umzäunungen, die Wynand und seine Leute am Tag zuvor aus dichten, stechenden Dornbüschen gefertigt haben. Aber wenn die Herde in Panik gerät, halten auch die schärfsten Stacheln sie nicht auf. "Dann überrennen die Tiere alles und verletzen sich. Vereinzelte, verletzte Rinder aber werden zur leichten Beute der Löwen oder Leoparden", erläutert der Treckführer. Mittlerweile haben die Buschmänner rings um die Krals hell lodernde Feuer angezündet. Die sollen vor allem den Geruch der Raubtiere übertönen. Denn wenn die Rinder diese nur wittern, brechen sie vor Angst aus. "Das machen sich Löwen manchmal zunutze", berichtet Wynand Kotzé. "Eine einzelne Löwin nähert sich mit der Windrichtung dem Kral, damit die Rinder sie riechen können. Wenn diese dann erschreckt zur anderen Seite durchbrechen, warten dort schon weitere Löwinnen, um versprengte Tiere zu schlagen."

Rinder-Rast

Am nächsten Morgen, kurz nachdem das Vieh beim Verlassen des Krals wie üblich gezählt ist, passiert es dann fast doch noch. Plötzlich fangen die Ochsen wie wild zu rennen an. Aber die Cowboys mit ihren Pferden können die Herde noch stoppen. "Eine Hyäne ist hier in der Nacht gewesen, die Rinder haben den Geruch noch gespürt", ruft ein Buschmann, der die Stelle untersucht hat, wo das Vieh erschreckte. So hörst sich das an
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Rast
Die Sparache der San hört sich so an.
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"Diese Leute kennen die Kalahari, ihre Pflanzen und ihre Tiere und die Spuren wie kein anderer", erläutert Wynand Kotzé. Darum nimmt er besonders gerne Buschmänner als Arbeiter für den Treck. "Selbst gegen die Schwarze Mamba haben die ein wirksames Gegenmittel". Die Schwarze Mamba ist eine Schlange, deren Biß normalerweise in wenigen Minute zum Tode führt.

Wynand ist ein Bure, der in Ghansi, im mittleren Westen des heutigen Botswana aufgewachsen ist. Seit rund hundert Jahren gibt es dort burische Siedler. Als kleiner Junge hat Wynand mit Kindern der Buschmännern gespielt und so deren Sprache mit den zahlreichen Klicklauten gelernt.

Er schätzt die Traditionen und Kenntnisse der Buschmänner. "Leider", sagt er leise und etwas traurig, "droht ihr Wissen für immer verloren zu gehen. Schon in der nächsten Generation vielleicht".

Es gibt heute kaum noch Buschmänner, die nach traditioneller Art als Nomaden vom Jagen und Sammeln leben können. Fast alle siedeln in festen Dörfern, schlagen sich mit Hilfsarbeiten durch oder sind arbeitslos. Doch die wenigsten von ihnen kommen mit der modernen, kommerzialisierten Welt zurecht. Marx und Lenin hätten dagegen von ihnen den Urkommunismus lernen können: Die Buschmänner teilen untereinander alles, was sie haben. Wenn einer ein neues Hemd geschenkt bekommt, läuft am nächsten Tag vielleicht schon ein anderer damit herum. "Der hatte ja selbst gar kein Hemd", erläutert der zuerst Beschenkte dann, als sei es selbstverständlich, das Hemd weiterzugeben.


"Dinga", das Daumen-Klavier der San
Eine Klangprobe
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         Hunderte von Jahren lang wurden die Buschmänner von anderen Völkern unterjocht. Aus fruchtbaren Gebieten vertrieben, mußten sie das Überleben in der kargen Kalahari lernen. Selbst ihren ursprünglichen Namen haben sie verloren. "Buschmänner" werden sie von den Buren genannt, in der Setswana-Sprache Botswanas heißen sie "Basarwa", das bedeutet "Leute aus der Einöde"; die Wissenschaftler bezeichnen sie als "San", Nahrungssammler, so wie der Stamm der Khoi-khoi sie bei Ankunft der ersten Europäer nannte, dem San als Hilfskräfte dienten.

Der Job als Cowboy oder Treiber beim Treck ist bei Buschmännern beliebt. Er wird besser bezahlt als andere Arbeiten, es gibt unterwegs gut zu essen: Hirsebrei, Bohnen, Mais und sogar ab und an Fleisch. Vor allem aber können sie in der Weite der Kalahari wieder Abstand gewinnen von einer Welt, die wir Fortschritt nennen. Abends am Lagerfeuer erzählen sie dann die uralten Geschichten und Sagen immer wieder. Auch Wynand Kotzé schläft unter offenem Himmel. "Hier in der Kalahari ist das Feuer unser Heim", sagt er.

Die Rinder haben sich mittlerweile an die Routine des Trecks gewöhnt, bleiben wie selbstverständlich zur Mittagspause stehen und grasen ruhig, lassen sich abends ohne Schwierigkeiten in den Kral treiben. In den ersten Tagen mußten die Cowboys sie noch ständig bremsen. "Die Tiere wollen dann vorauslaufen und im Bogen zu ihrer Farm zurück", erläutert Wynand Kotzé.

Mehr als einen Monat dauert es, bis die rund 700 Kilometer lange Strecke geschafft ist. Dann werden die Tiere noch einmal auf einer Farm nachgemästet, bevor sie zum Schlachthof nach Lobatse müssen, von wo ihr Fleisch in die EG exportiert wird. Doch auch unterwegs leidet das Vieh keinen Hunger. Denn dieser Teil der Kalahari-Wüste ähnelt eher einer Dornbuschsavanne. Wenn es im Sommer mal regnet, wächst frisches Gras. In trockener Hitze verdörrt es schell und bleibt als proteinreiches, bestes Heu erhalten.

Aber Wassermangel ist das große Problem. Ein Treckführer muß die Streckenabschnitte sorgfältig planen, damit das Vieh stets zur rechten Zeit wieder an eine Tränke kommt. Früher konnte nur in der Regenzeit getreckt werden, wenn sich genügend Wasser in den "Pfannen", den Senken der Kalahari gesammelt hatte. Da sind schon mal ganze Herden verlorengegangen und die Leute fast verdurstet, weil es am Ende der Strecke nicht geregnet hatte.
Seit einigen Jahren ist alles einfacher geworden. Die Regierung Botswanas hat entlang der Treckroute Tiefbrunnen bohren lassen. Mit Hilfe von Dieselmotoren wird das Wasser aus oft mehr als hundert Metern Tiefe hochgepumpt. Aber gelegentlich fällt eine Pumpe aus und dann liegt die Wasserstelle trocken. Wynand Kotzé fährt deshalb stets mit seinem Allradantrieb-Fahrzeug zum jeweils nächsten Tiefbrunnen voraus und prüft, ob Wasser da ist. Wenn nicht, muß er schon mal selbst als Mechaniker einspringen.

Es ist gar nicht so einfach, nach mehreren Tagesmärschen ohne Wasser das dürstende Vieh zur Tränke zu bringen. Die Tiere können das Wasser nämlich schon aus mehreren Kilometern Entfernung riechen. Sie fangen dann an zu rennen und könnten sich beim Ansturm auf den Brunnen verletzen. Wenn der Wind von der Wasserstelle herkommt, wird die Herde deshalb zunächst im großen Bogen um sie herumgeführt. Nur mit der Windrichtung läßt Wynand die Rinder zum Brunnen, und nur nach und nach in kleinen Gruppen. "Wenn ich dann sehe, wie sie trinken, fühle ich mich auch selbst besser", sagt er. Die Geheimnisse des Treckens hat Wynand von seinem Vater gelernt. Schon tausende von Rindern hat er gut durch die Kalahari gebracht.

Tränke

Abend    Aber bald wird es solche Trecks in Botswana nicht mehr geben. Ein Großteil des Viehs wird heute bereits auf den Farmen auf Lastwagen verladen und über eine Sandpiste durch die Kalahari gefahren. Wegen der schlechten Fahrbahn ist der Transport jedoch noch teurer als das Trecken. Doch eine asphaltierte Straße, die "Transkalahari", wird bereits gebaut. Wenn sie fertig ist, wird auch in Afrika die Zeit der Cowboys endgültig vorbei sein.


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